Kapitalismus,
Melancholie und Skulptur
1.
Somewhat around 1871: Die Objekte, die Dinge, fangen an fremdbeherscht
zu erscheinen, ihre Geteiltheit liegt unmittelbar verborgen in der Art
ihrer Produktion. Seit Beginn der Industrialisierung markiert sich das
bürgerliche Problem in der Schwierigkeit mit dem Objekt,
der massenhaften Reproduktion von Waren. Das einzelne, händisch hergestellte
Ding ist nun entweder in den Niederungen der bäuerlich-manufakturierten
Ebene angesiedelt, oder aber als rares Luxusgut dem seltenen Genuss preisgegeben.
Der Kapitalismus hat es seit jeher gut verstanden die Dinge zu teilen,
in niedere, originäre, vielfältige. Jedem davon ist ein eigener Wert zugemessen.
Jedem dazu ein Gebrauch bestimmt, eine eigene Form des Genusses, der Benutzbarkeit
im Rahmen des Wertes.
2.
Über Brancusi nachzudenken heute heißt sich klar zu werden über den fetischistisch
aufgeladenen Wert der bäuerlichen Herkunft (des Künstlers, der Formensprache).
Damit auch über den Wert des Schweißes, den die Form in sich gespeichert
hat.
3.
Die nachfordistische Lösung: der Wert der Dinge liegt nicht so sehr in
ihrem Produktivwert sondern eher in ihrem libidinösen Nutzwert. Das neoliberale
postfordistische Subjekt, (d.h. wir Alle) nutzt die immer schon (quasi
natürlich) flüssigen Waren mit Ihrem korrodierten Wert um ihnen neue Wertbestimmungen
zukommen zu lassen. In den zweihundert Jahren akumulativer Produktion
ist selbst der originale Tauschwert soweit verschlissen, das die Dinge,
die einstmals Waren gewesen sind, nun einen Status von quasi natürlichen
Objekten bekommen haben. Die den Verkehr der Waren regelnden Prinzipien
der Produktionsökonomie sind, in vielen Bereichen der Warendistribution
zu einer Begehrensökonomie geworden.
4.
Am deutlichsten wird das bei Produkten wie z.B. T-Shirts, die, unabhängig
von ihrer Qualität oder ihrem Fertigungsort (der sowieso in Südostasien
liegt) nur anhand des Aufdrucks von Pfennigprodukten zu halbe Monatslöhne
kostenden Objekten des Luxus und der Distinktion werden können.
5.
Melancholie, Ausdruck des Wissens um einen Verlust
Denn was ist denn Melancholie nun? Es gibt da die Süße und die Bittere,
wie bei den Schokoladen.
6.
Man liebt um sich an etwas zu erinnern.
Ein guter Zeitpunkt zu gehen. Ein guter Zeitpunkt zum Auswandern.
7.
Worin besteht der Gegensatz von proletarischer Sentimentalität und bürgerlicher
Melancholie?
8.
Das Gegenteil von Melancholie: Sexy Todesverachtung. Denn Melancholie
ist der Feind.
9.
Gelassen trage ich die Form hier ein, gelassen umgehe ich die Verbote
der Zunft. Gelassen finde ich eine Sprache in der wir sprechen können.
10.
Die Ware, das Ding , ist immer schon verloren, im Wert dem Mehrwert preisgegeben.
Die Skulptur dagegen ist das Rettend-Bewahrende, ein Monument der Stillstellung.
(des Werts, des Unflüssigen ??)
11.
I rather look ugly than as normal as I look now.
12.
Now, jetzt, das große Gegenüber der Melancholie. Die ausgeweideten Reste
der schlafenden Gefühle des zornigen 20. Jahrhunderts retten sich in das
jetzt. Now is all we have, singen die Flaming Lips. Die Melancholie, die
in der frühen Moderne ihre dunklen Blüten trieb, fristet ein Schattenreiches
Dasein.
Birgt Melancholie überhaupt ein Potenzial für Dinge wie Dissidenz? Melancholie
neigt an sich zum Rückzug, zu Passivität, zu einer Innerlichkeit, die
nur ihre eigene Welt zu kennen vorgibt.
Die Weltabgewandtheit aber als Zeichen und Ausdruck eines radikalen Zweifels
zu verstehen, als ein blindes Nein in die simulierten Freizeitphantasmen
hinein, könnte die Melancholie als Waffe schärfen.
13.
Die Figur des Bourgeois, der ein gespaltenes Verhältnis zu den Dingen
pflegt, ist zu verführerisch um sie nicht zu benutzen. Nicht mehr Produzent
der Dinge, verdammt dazu, ein immer ökonomisches Verhältnis zu ihnen zu
haben, sie zu genießen in diesem Verhältnis, diesen (ihren) Genuss wieder
in ein ökonomisches Verhältnis zu setzen: das ist der Kern der bürgerlichen
Ideologie. Und dieses hegemoniale Modell durchzieht weiter unser Verhältnis
zu den uns umgebenden Objekten.
14.
Und: ist die obsessive Verhaftetheit mit Bildern der Jugend nicht originaler
Ausdruck eines melancholischen Weltzugriffs?
Es scheint zwei Formen von Jugend zu geben: zum einen die Bestimmung als
eine aktive, den ökonomische Gesetzen gehorchende Verfügungsmasse im Spätkapitalismus.
Als verborgene Größe gebiert Jugend aber auch einen Zweifel an der Konsistenz
der Dinge und ihrer Ordnungen.
Das Jetzt steht hier zur Disposition: in der Melancholie wird das Jetzt
stillgestellt, es ist nicht mehr verwertbar im grossen Fortschreiben der
Gegenwart als einem jetzt! das mit Ausrufezeichen versehen zum Beweger
der Gegenwart wird. Vielmehr spielt die melancholie mit dem innehalten
der Gegenwart ein raffiniertes Spiel Ð zumindest wenn es um die Jugend
geht Ð von einer sich aus dem Kapitalfluss herausgeschälten Zeitgenossenschaft.
15.
Red eyes and tears, keine Gegenwart
zu besitzen, aus dem Jetzt austreten in eine projektive Vergangenheit,
in der die Zukunft nicht mehr herrscht. (genauso wenig wie in der Krisenrethorik
des neoliberalen Kapitalismus)
16.
Hatte der historische Kapitalismus noch die Ökonomisierung der Welt zum
Ziel und zur Aufgabe (wie man aus allem den Mehrwert herauskitzelt), so
herrscht in melancholischen postfordistischen Zukünften eine antiökonomische
Verschwendungssehnsucht. Die Janusköpfigkeit des Kapitalismus und seiner
libidinösen Wucherungen immer vor Augen - seine Größe und Verführungskraft
- scheint uns die Melancholie kein historischer Rückschritt, kein privates
Einknicken, sondern eine Möglichkeit die Totalisierung der Zeit im jetzt
zu brechen und das Postulat der Gegenwart (einer Gegenwart des Spektakels,
einer Gegenwart des vereisten Begehrens) zu durchlöchern. Die sprichwörtliche
Unproduktivität des Melancholikers koppelt sich hier an das Negieren der
Gegenwart.
17.
Robert Smithons stärkste Arbeiten z.B. sind durch und durch melancholisch,
sie verweigern die Gegenwart, sie sperren sich jeder Ökonomie (indem sie
zu groß, zu aufwendig, zu vergänglich etc... sind), sie sind von einer
skelettösen Naturgeschichte durchdrungen und beharren auf einer Gegenwart,
die zwar ein jetzt, aber keinerlei Flüchtigkeit kennt.
Wenn Smithsohn Klebstoff und Lack Mülldeponien heruntersinnen lässt, ist
dieser Akt ein durch und durch melancholischer.
Hier wird die Sache spannend: schlägt man sich auf die Seite des Objekts
gerät man in die Paradoxien des Bourgeois (in Ermangelung eines präziseren
Begriffs), der in diesem fatalen Bezug zu den entfremdeten (Waren-)Objekt
steht, das Objekt, die Spiral Jetty,
z.B., oder Partially Burried,
als verlorenes Objekt sieht, es im nachhinein fetischisiert, sentimental
auflädt. Gerade weil es verloren ist besitzt es einen ungeheuren reiz.
Schlägt man sich auf Smithsohns Seite, mit der Brüchigkeit, der Projekthaftigkeit,
ist man sofort beim neoliberalen Subjekt.
(das moderne Subjekt war durch und durch antimelancholisch, nach vorne
sehen die Devise. Im Jetzt stehen. Das nachmoderne Subjekt kokettiert
damit noch, weiß aber das es verloren ist, das die Unschuld eines Aufbruchs,
all der Übertretungen, all der Spiele des Jetzts sich eigentlich nur noch
sentimental abbilden, irgendwo auf einer Leinwand in einem Kino, in einem
dunklen Raum, im Nachhall des Herzens vielleicht noch.)
nichts müsste also trauriger sein als das Auftauchen der Spiral
Jetty, korallenübersät und in der Sonne funkelnd.
Ein Zeitloch.
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